An die österreichische Bundesregierung
An die Parteichefs der im Parlament vertretenen Parteien
An die Abgeordneten zum Nationalrat

Österreich zeichnet sich  – zumindest bis jetzt – durch ein Klima des sozialen Friedens, des wechselseitigen Respekts und der Achtung voreinander aus. Wir bringen mit Nachdruck unsere Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass dies immer stärker gefährdet ist: Direkte und indirekte, offene und latente Feindseligkeiten gegenüber Fremden und Personen aus anderen Kulturkreisen ebenso wie Schweigen zu diesen Missständen durch Viele, vor allem auch durch Verantwortungsträger im öffentlichen Leben, tragen zunehmend zu einer Atmosphäre der Polarisierung und Ausgrenzung bei: Ausländerinnen und Ausländer werden vielfach pauschal in die Nähe von Kriminalität gerückt. Menschen, die zusammen leben, werden auseinander dividiert. Die Menschenrechte scheinen antastbar geworden zu sein. Werden sie aber an einem Punkt verletzt, stehen sie auch anderswo, ja insgesamt, infrage.

Viele der hervorragenden kulturellen, wissenschaftlichen, technischen und menschlichen Leistungen, die in unserem Land hervorgebracht wurden, verdanken wir der kulturellen Vielfalt seiner Bewohner und ihrer Vorfahren. Auf Grund der Geschichte unseres Landes tragen die Österreicherinnen und Österreicher eine besondere Verantwortung gegenüber Minderheiten und Andersdenkenden; deren Geringschätzung und Verfolgung sowie das Schweigen dazu haben letztlich zu großem Leid für alle geführt. Wir verweisen auch auf die große humanitäre Tradition, die Österreich etwa in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die jüngste Geschichte immer wieder unter Beweis gestellt hat.

Als Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wissen wir aus vielfältiger Erfahrung, wie wichtig ein Klima der aktiven Toleranz und der gelebten Solidarität für die Entwicklung und das persönliche Glück des Einzelnen, für zwischenmenschliche Beziehungen und für konstruktive gesellschaftliche Verhältnisse ist. Wir wissen, dass aus Gefühlen der Angst und Bedrohung – werden sie einseitig gegen Minderheiten und Andersdenkende kanalisiert – Verhaltensweisen und Handlungen entstehen können, die nicht nur andere tatsächlich bedrohen, sondern auch rückwirkend zur Bedrohung und Gefährdung der eigenen Person werden. Da wir oft im Kleinen erlebt haben, dass Ausgrenzung zu Radikalisierung und Unfrieden führt – bei anderen und bei sich selbst –, befürchten wir, dass auf diese Weise letztlich auch im Großen die soziale Sicherheit gefährdet ist.

Wir sehen es daher als unsere Verantwortung an, dringend an alle Menschen zu appellieren, ihre Fähigkeiten zu Toleranz, Offenheit, Verständnis, Frieden und Solidarität aktiv einzusetzen und gegen Vorurteile, Verhetzung und Gleichgültigkeit aufzutreten — im alltäglichen Bereich ebenso wie im öffentlichen Leben. Und wir appellieren mit allem Nachdruck an alle Verantwortlichen, den Anfängen jener Strukturen zu wehren, die solches ermöglichen oder begünstigen.

Appell, verfasst von der PCA, Oktober 1999,
vom ÖBVP (Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie)
und von zahlreichen anerkannten österreichischen Psychotherapeutischen Vereinigungen und Aus– bzw. Fortbildungsinstitutionen unterschrieben

Die Erklärung wurde im Mai 2000 den Adressaten und Medien zugestellt.

  

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